Geschichte

Geschichte des Männergesangvereins 1869 Roßtal

Von 13 Männern wurde unser Verein im Jahre 1869 im Gasthof „Zum weißen Lamm“ am Marktplatz in Roßtal gegründet. Bereits damals war die Familie Fischhaber Gastgeber des Gesangvereines. Auch der damalige Wirt Matthias Fischhaber zählte zu den Gründungsmitgliedern. Aber auch die anderen Herren sollen nicht ungenannt bleiben und ihre Namen in Erinnerung gebracht werden. Jakob Bierlein, Michael Eckstein, Christoph Gegner, August Haas, Bernhard Haas, Georg Link, Georg Riegel, Fritz Ringel, Hans Schwarz, Fritz Stechhöfer, Kaspar Wackersreuther und Georg Weiß.

Leider ist uns von der Gründerzeit nicht mehr aus der Vereinsgeschichte überliefert. Aber von so manchem, was in dem uns erhaltenen Protokollbuch beginnend 1920 beschrieben wird kann geschlossen werden, dass dieser Brauch von Anfang an so gehalten wurde. So sei das Aufnahmeritual genannt: Der Aspirant musste in der Singstunde von einem Sänger vorgestellt werden, der zugleich Bürge für das neu aufzunehmende Mitglied war. Die aktiven Mitglieder stimmten in der folgenden Zusammenkunft mittels „Ballotage“ darüber ab, ob der Herr für den Verein geeignet schien. Bei der Ballotage handelt es sich um die Form der Abstimmung mittels weißer Kugeln für „Ja“ und schwarzer Kugeln für „Nein“. Jedes stimmberechtigte Mitglied konnte eine Kugel seiner Wahl in einen Kasten legen. Die Mehrheit einer Farbe symbolisierte das Wahlergebnis.

In der heutigen Zeit unvorstellbar, aber in den Protokollen von damals so festgehalten, konnte es geschehen, dass dem Wunsch auf Mitgliedschaft nicht stattgegeben wurde. Zum Verständnis der Abstimmung muss man wissen, dass ein Verein nicht nur einen gesellschaftlichen Rang im Ortsgeschehen innehatte, sondern damals auch politisch Gleichgesinnte hierin zusammenfanden.

Den Rosenmontagsball können wir zu Recht als Tradition des Vereins ausgeben. Er wurde mit den Ausnahmen der Kriegszeit in jedem Jahr abgehalten. Lediglich in den Jahren 1921, 1922 und 1923 durfte wegen der „wahnsinnigen Kriegsentschädigungen an die Alliierten“ (Zitat) kein Ball abgehalten werden. Was den Verein aber nicht hinderte, kurzfristig einen Familienabend mit Theateraufführung und Musik abzuhalten. Zu erwähnen ist, dass ein Faschingsvergnügen regelmäßig bis 4 Uhr oder 5 Uhr morgens mit zum Tanz aufspielender Musik begangen wurde.

Aus dieser Zeit sind aus dem Kassa-Buch ein paar Zahlen zu nennen: 1 Liter Bier kostete am 14.12.1922 in der Gastwirtschaft „Eckert“ 180 Mark. Am 23.05.1923 kostete eine Fahrt mit dem Fuhrwerk nach Rohr 5.000 Mark. Einen Monat später am 20.06.1923 musste für die Fahrt nach Höfen zur dortigen Fahnenweihe 50 Millionen bezahlt werden. Der Beitragssatz betrug im gleichen Jahr für aktive Mitglieder ¼ jährlich 100 Mark und für passive Mitglieder 150 Mark. Eine Aufnahmegebühr wurde in Höhe von 4.000 Mark erhoben. Glücklicherweise konnte im folgenden Jahr schon wieder eine Summe von 2 bzw. 4 Mark ausreichen.

Kaum jemand wird es wissen und dem Chronisten entlockte es ein erstauntes „Oha“ als er in einem Protokoll vom 26.04.1926 nachlesen konnte, dass beim MGV ein Damenchor gegründet wurde. Auch diese Namen sollen hier nicht vorenthalten werden: Anna Bauer, Frau Bayn, Frau Blümlein, Barbara Eckstein, 2 mal Frau Herpich, Luise Kreiselmeier, Frau Pongler, Frau Ringel, Anna Schmidt, Frau Wagner, Frau Weiß und Fräulein Weiß. Leider ist in späteren Protokollen kein Auftritt oder sonst eine Tätigkeit der Frauengruppe erwähnt. Somit blieb es eben allein bei dem Männergesangverein.

Bereits am 5. Juni 1921 begingen der MGV sein 50-jähriges – und der Liederkranz sein 25-jähriges Jubiläum gemeinsam. Ein Festplatz wurde aufgebaut. Für die notwendige Musik sorgte damals schon die 18 Mann starke Kapelle von Michael Bauer. Diese dürfte noch manchem Roschtler unter dem Namen „Roßtaler-Klinger“ unter der Leitung von Georg Bauer in guter Erinnerung sein.

Anfangs der dreißiger Jahre wird vom Sängergau gewünscht, dass Liederkranz und MGV einen Verein bilden müssen. Am 10. Januar 1934 wird auf Grund der Reichsentschließung die Gleichschaltung vorgenommen. Die Aufnahme neuer Sänger durch Mitgliederentscheid wird abgeschafft. Nur noch der Vorstand bestimmt über einen Antrag.

In der Protokollführung tritt eine Pause bis zum Jahr 1952 ein. Ein neues Buch beginnt mit der namentlichen Auflistung von 55 aktiven Mitgliedern und dem Ergebnis der Neuwahl zur Vorstandschaft. Es sind 1. Vorstand Fritz Weiß sen., 2. Vorstand Georg Ötterich, Kassier Leonhard Fischhaber und Schriftführer Hans Gietl.

Ein besonderes Ereignis war im Jahre 1955. Der Verein war Mitausrichter des Gruppenkonzertes. Bei der Feier zur ersten urkundlichen Erwähnung unseres Ortes vor 1000 Jahren stellten auch wir eine Gruppe im historischen Festzug. Bei den drei Aufführungen des Festspieles „Der Richter von Horsadal“ -geschrieben von unserem damaligen Chorleiter Ludwig Groh- war ebenfalls unsere Mitwirkung gefragt.

In den folgenden Jahren normalisierte sich das Vereinsleben. Der aufkommende Tourismus reizte auch unsere Mitglieder in jedem Jahr einen Ausflug mit Bus oder Bahn durchzuführen. Diese Ausflüge waren so gefragt, dass meistens zwei Busse gechartert werden mussten.

1969! Der MGV existiert 100 Jahre.

Durch das festlich geschmückte Roßtal bewegte sich ein Festzug mit 54 Gruppen. Das Festzelt, welches am Turnplatz aufgestellt war, fasste 1600 Personen. In der Chronik wurde berichtet, dass das Zelt doppelt so groß hätte sein müssen um alle Besucher aufnehmen zu können. Einigen Gastvereinen hat es so gut gefallen, dass sie bis weit nach Mitternacht blieben. Für den Chor war der Erhalt der Zelter-Plakette ein mit Stolz erfüllendes Ereignis.

Auch in den Jahren nach dem Neubeginn 1952 wurde regelmäßig ein Rosenmontagsball abgehalten. Da in unserem angestammten Lokal kein Saal mehr zur Verfügung stand, gleichzeitig die Nachfrage aus der Bevölkerung so groß war, wurde der Ball in die Turnhalle verlegt. Aber auch in diesem großen Saal konnten nicht alle Tanzwilligen unterkommen. Zum großen Bedauern der Organisatoren mussten manchmal bis über 100 Personen abgewiesen werden. Leider ging auch an diesem gesellschaftlichen Ereignis der Zeitgeist nicht spurlos vorüber. Jetzt ist es nicht einmal mehr für alle Mitglieder Tradition, ihren Ball zu besuchen.

Dafür entwickelte sich der Bereich der musikalischen Auftritte stärker. So wurden in den ab 1971 folgenden Jahren jeweils ein Konzert einem großen Komponisten gewidmet.

1979 wurde ein Jubiläumskonzert zum 110-jährigen Bestehen des MGV gegeben. Im Jahr darauf ein Festkonzert im Gedenken an unsere ehemaligen Chorleiter und Komponisten Ludwig Groh zu seinem 80. Geburtstag. Eine besondere Attraktion war dabei der Auftritt von Gertrud Strüh-Dippold, einer in Roßtal geborenen und ehemals ansässigen Sopranistin.

Diese Abende und die Auftritte bis zum Jahr 1987 waren geprägt vom Können und vom Schaffensdrang unseres Chorleiters Peter Tränkle. Dieser führte den Männerchor 1986 als bisherigen Höhepunkt zum Leistungssingen des Fränkischen Sängerbundes. Der MGV erreichte einen achtbaren 2. Platz, nur um einen 1/10 Punkt getrennt vom Sieger des Wettbewerbes. Leider verstarb Peter Tränkle allzu früh.

Nach der Neugestaltung der Spitzwied nutzten wir den Platz davor, um zusammen mit dem Posaunenchor jeweils im Frühling eine Serenade anzubieten. Seit 1990 wird diese öffentliche Veranstaltung im malerischen Innenhof unseres Vereinslokales als Sommerserenade abgehalten.

Bisher letzter Höhepunkt im Vereinsleben des MGV war das Festkonzert zum 120-jährigen Bestehen. Zusammen mit unseren 1979 gewonnen Freunden aus Zotzenbach im Odenwald und dem Orchester der Musikfreunde Roßtal durften wir einen festlichen Abend verleben. Die Mitwirkenden waren vom Jubelverein nach ihren Darbietungen zu einem geselligen Beisammensein bei Speis und Trank geladen.

In guter Erinnerung ist den Sängern, der Bevölkerung und den Hörern des Bayerischen Rundfunks die Sonntagmorgen-Live-Sendung aus Roßtal, bei der auch wir mit drei Liedern über den Sender gehen durften.

Abschließend darf ich sagen, dass es interessant und aufschlussreich war, in den Protokollen der Vergangenheit zu lesen. Ich konnte dabei feststellen, dass seit der Vereinsgründung Entscheidungen stets durch Mehrheitsbeschluss demokratisch gefällt wurden. Auch das gesellige Beisammensein hatte einen hohen Stellenwert in der Gemeinschaft und der Männergesangverein 1869 Roßtal war und ist aus dem kulturellen Leben unserer Gemeinde nicht mehr wegzudenken. Mein Wunsch ist es, dass es noch viele Jahre und Jahrzehnte Männer geben möge die zu uns kommen, mit uns singen, mit uns feiern und bei uns nach den Singstunden in geselliger Runde beim „Karteln“ oder am „Schmarrertisch“ zusammensitzen.

Bericht aus dem Jubiläumsheft des 125-jährigen Bestehens des MGV.
Verfasst von Reinhard Baumann (Juni 1994)